Interview: Die Zukunft des Buches

Björn BedeySeit ich Buchstaben zu Wörter und Wörter zu Sätze formen kann, lese ich. Mit Leidenschaft und Begeisterung. Aber auch bei mir hat das digitale Zeitalter schon lange Einzug gehalten und seit vielen Jahren besitze ich einen eBook-Reader. Für mich Grund genug in diesem Blog, der sich ja thematisch mit (radikalen) Veränderungen, den Folgen und dem Umgang damit befasst, nachzufragen, wie die Zukunft des Buches aussehen wird. Rede und Antwort stand mir der Verleger Björn Bedey, Inhaber des Diplomica Verlags.

NAME: Björn Bedey
BERUF: Verleger
Drei Wörter/Eigenschaften, die mich beschreiben: unkonventionell, fordernd, nachhaltig
Mein Lieblings-Gadget/meine Lieblings-App: Telefon
Meine Lieblingswebseite: www.fcstpauli.com
Meine eigene Webseite: www.diplomica.de

Seit Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert den Buchdruck erfunden hat, sind mehr als 500 Jahre vergangen. Das Buch gibt es nach wie vor – aber was vermuten Sie, wie lange noch?
…solange es den Homo Sapiens noch gibt.

Wenn Sie als Geschäftsführer eines Verlages die letzten Jahre rückblickend betrachten, was waren aus Ihrer Sicht die radikalsten Veränderungen in der Buchbranche?
…vor 19 Jahren sind wir als studentisches Startup mit Diplom.de an den Start gegangen – einem klassischen Selfpublishing-Portal – nur war damals dieser Terminus noch nicht erfunden.
…vor 18 Jahren haben wir angefangen von einem lokalen Druckdienstleister unsere Titel erst bei einer Bestellung herstellen zu lassen – das nannte man dann später Print on Demand.
…vor 17 Jahren haben wir den Vertrieb von PDF-Dateien als eBook begonnen – auch als Download über unsere Webseite – ohne DRM.
Leider oder Gott sei Dank blieben diese radikalen Änderungen von der Buchbranche unentdeckt und wurden erst mehr als 10 Jahre später behäbig aufgegriffen.

Und welche dieser Veränderungen waren für Sie als Verlagsinhaber die überraschendsten und vielleicht auch die schwierigsten?
Überraschend war wenig – es wurden einfach die aktuellen Möglichkeiten umgesetzt von denen, deren Köpfe und Organisationen nicht so festgefahren waren und dies zuließen. Schwierig ist und bleibt es, in einem Markt, der von wenigen beherrscht wird, den Kopf über Wasser zu halten. Durch die Senkung der Zugangsbarrieren und durch die Diversifikation der Produkte und des Marktes entstehen aber auch stetig neue Chancen.

Was können Sie aus Ihrer Erfahrung heraus anderen Unternehmern an Tipps weiter geben, die in ähnlich volatilen Branchen tätig sind oder deren Branchen sich durch eine Innovation plötzlich radikal verändert haben?
Immer am Ball bleiben, neue Sachen ausprobieren, sich dabei nicht verzetteln und sich bei allem treu bleiben.

Machen Ihnen Amazon & Co. Angst? Wenn jetzt jeder sein Buch im Eigenverlag herausbringen kann, welche Funktion haben dann die Verlage noch?
Nein – sicherlich macht mir Amazon keine Angst – im Gegenteil: Amazon ist für mich seit Jahren eine Chance, die sich im „klassischen Buchvertrieb“ für unabhängige Verlag nicht bietet. Eigenverlage gab es schon immer und wird es auch immer geben – was soll mir da Angst machen? Verlage wählen thematisch aus, bereiten den Inhalt auf, erstellen ein zielgruppengerechtes Produkt, bieten dieses Produkt der Öffentlichkeit zum Kauf an, bewältigen die gesamte Administration, die mit diesen Prozessen in Verbindung steht. Schließlich stehen Sie Face-to-Face mit dem Leser für das Produkt und den Autor ein.

Wenn Sie 20 Jahre in die Zukunft blicken könnten, wo sehen Sie dann die deutsche Buch-Branche?
Das Verlags- und Sortimenter-Sterben wird sich weiter fortsetzen. Die Konzentration der großen Verlage und Sortimenter wird weiter erfolgen, der Mittelstand wird wegbrechen und die Anzahl der kleinen innovativen unabhängigen Verlage weiter ansteigen. Wir werden nach wie vor eine Buchnation sein.

Wenn Sie die unendliche Informationsfülle im Internet betrachten, die Milliarden Seiten an Wissen, die online zu finden sind, welche Funktion und Bedeutung hat für Sie ganz persönlich vor diesem Hintergrund ein Buch?
Haptik – ich brauche die Haptik für ein positives Leseerlebnis. Informationen kann ich auch digital konsumieren.
Qualität – das Buch eines Verlages bürgt für eine gewisse Qualität (je nach Verlag) bezogen auf den Inhalt und die Ausstattung.
Nachhaltigkeit – ein Buch kann ich nach drei Jahren aufschlagen und auf der Seite steht immer noch dasselbe wie vor drei Jahren.
Persönlich – ein Autor steht persönlich für den Inhalt des Buches und trägt die Verantwortung für den Inhalt.

Und zum Schluss noch ein kleines Spiel. Ich sage Ihnen einen Begriff und Sie sagen mir, was Ihnen als erstes dazu durch den Kopf geht:

  • Flexibilität: ein Muss
  • Innovation: jep
  • Anpassungsfähigkeit: notwendig
  • Kreativität: von Vorteil
  • Veränderung: stetig
  • Angst: wovor
  • Zukunft: welche?
  • Deutschland: Europa
  • Ich: Björn
  • Beruf: Berufung

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